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Die Altstadt von Bern

Bern: Kramgasse mit Zytgloggeturm

Kramgasse mit Zytgloggeturm im Hintergrund

Foto: I, Daniel Schwen [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC-BY-SA-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

„Sie ist die schönste, die wir gesehen haben, (die Häuser) in bürgerlicher Gleichheit eins wie das andere gebaut, alle aus einem grauen weichen Sandstein. Die Egalität und Reinlichkeit darin tut einem sehr wohl, besonders da man fühlt, dass nichts leere Dekoration oder Durchschnitt des Despotismus ist.“ Diese Zeilen schrieb Deutschlands Dichterfürst Goethe nach einem Besuch Berns an Frau von Stein. Das ist ja nun schon lange her, werden Sie sagen, und in der Tat, man schrieb das Jahr 1779, als dieses Kompliment entstand. Und doch gibt es etwas Besonderes daran. Anders als bei den meisten historischen Stadtschilderungen, die die Erinnerung an längst Vergangenes festhalten, ist dieses Zitat von einer Zeitlosigkeit der Beschreibung erfüllt. Wohl kaum eine andere große Stadt im Herzen Europas hat so viel von seinem einstigen Ursprung bewahren können, beschwört in seiner steingewordenen Geschichte so sinnfällig und eindrücklich die Zeit des Mittelalters.



Die historische Altstadt von Bern, 1191 auf einer Aarehalbinsel gegründet und von drei Seiten durch die Wasser der Aare begrenzt, gehört zu den wenigen Städten des Mittelalters, die bewusst geplant wurden. Ausgehend von einer alten Festung am Fluss wurden von Anfang an breite Straßen angelegt, die sich wie die Finger einer Hand parallel gen Westen erstrecken, wo sie einst an einer Stadtmauer endeten. Dieses Grundgerüst der Städteplanung blieb bis heute erhalten, selbst die großen Stadtbrände des 14. bis 17. Jahrhunderts vermochten daran nichts Grundlegendes zu ändern. Lediglich die Fassaden erhielten bisweilen ein neues Antlitz, sei es im Stil des Barock oder der Renaissance.

Die Weitsichtigkeit und Beständigkeit der mittelalterlichen Planung erfährt man sehr gut in der Gerechtigkeits- und Kramgasse, der ursprünglichen Hauptgasse des mittelalterlichen Bern. Die gepflasterte Gasse erreichte eine Breite von 25 Metern, ein Maß, wie man es heute von Autobahnen kennt. Im 15. Jahrhundert wurden dann den Häusern beiderseits Arkaden vorgesetzt, die Arbeitsplätze und Verkaufsstände der Händler und Handwerker auf diese Weise schützend überbaut. „Das Rohr“ werden sie im Volksmund genannt und wie kommunizierende Röhren verknüpfen sie auf einer Länge von 6 km noch heute den Kern der Stadt. Wie vermutlich damals bereits sind sie auch heute die pulsierende Lebensader der Stadt: Boutiquen und Trödler, Antiquitäten-, Schmuck- und Schuhgeschäfte reihen sich eng an eng, Cafés und Restaurants, die in Kellergewölbe und Hinterhöfe entführen, Ecken, Winkel und Bänke, die zum Verweilen für ein Schwätzchen einladen. Stundenlang flanieren unter schützenden Laubengängen – in Bern ist das selbst bei Regen kein Problem. An heißen Sommertagen bilden die Arkadengänge ein schattenspendendes Refugium.

Altstadt von Bern

Foto: By Geri340 (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Was wären die Berner Altstadtgassen ohne ihre Brunnen! Diese kunstvollen Gebilde aus dem Mittelalter, die mit ihren farbigen Figuren und Säulenschäften lebendige Kontraste zu den eher grauen Hausfassaden setzen, und die zu den sehenswertesten Verkehrshindernissen zählen, die eine Stadt überhaupt bieten kann, verraten einiges über die damalige Macht des Bürgertums. Wehrhafte Figuren wie am Schützen- und Vennerbrunnen verraten, dass das Kriegshandwerk nicht wenig zum Wohlstand Berns beigetragen hatte. Und die vier irdischen Mächte des Gerechtigkeitsbrunnens - Papst, Kaiser, Sultan und der Schultheiß von Bern - zeugen nicht gerade von mangelndem Selbstwertgefühl der alten Berner.

Pfeiferbrunnnen, Bern

Der Pfeiferbrunnen

Foto: By Marianabeauty (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Ein besonderes Gefühl für die Struktur der alten Stadt erhält man bei einem Blick von oben. Am besten eignet sich dafür das Berner Münster, dessen filigrane Spitze deutlich das Dächergewirr der Altstadt überragt. Die mehr als 250 Stufen zur ersten Galerie in 50 Meter Höhe, noch mehr die zusätzlichen 90 Stufen zur zweiten Galerie eröffnen einen herrlichen Blick auf das Häusermeer. Daraus ragt der Zytgloggeturm heraus, Berns erstes westliches Stadttor. Nach seiner Glocke hatten sich damals alle Uhren zu richten, in seinem Tordurchgang waren zur öffentlichen Kontrolle die damals gültigen Längenmasse, Elle und Klafter, als Urmaße angebracht. Heute sind es das Figurenspiel und die astronomische Uhr, die pünktlich vier Minuten vor dem Stundenschlag Touristengruppen versammeln.

Helmuth Weiss


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