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Die Altstadt von Rhodos

Ganz so spektakulär wie einst, als ankommende Schiffe durch die gespreizten Beine der über 30 Meter hohen Bronzefigur des fackeltragenden Helios, eines der sieben Weltwunder, in den Hafen einfuhren, ist die Annäherung an Rhodos Stadt von See her heute nicht mehr. Der berühmte „Koloss von Rhodos“ ist verschwunden. Doch lassen bereits die von weitem sichtbaren Spitzen des Großmeister-Palastes einen ersten Hinweis auf eine Altstadt erkennen, die in ihrer Geschlossenheit und Vielfältigkeit gleichermaßen wie kaum eine andere das ausgehende Mittelalter sinnfällig vor Augen führt.



4 Kilometer lang ist der Mauerring, der die alte Stadt umschließt, eine gute Möglichkeit, sich erste Eindrücke von der Altstadt zu verschaffen. Ausgehend von byzantinischen Stadtmauern war es der Orden der Johanniter gewesen, der um 1400 die Befestigungsanlagen verstärkte, mächtige Bastionen errichten ließ, Schießscharten einfügte und die Wassergräben verbreitern ließ. Die Erfindung des Schießpulvers und damit einhergehende neue Kriegstechniken ließen neue Verteidigungsbauten notwendig werden. Die Festungsbaumeister der Johanniter waren Könner ihres Fachs, wenn auch wie so oft in der Geschichte, auch dieses Bollwerk überwunden wurde. Zwar konnten noch im Jahre 1480 450 Ritter mit Hilfe von Söldnern die riesige Schar von 70 000 türkischen Angreifern zurückschlagen, 1522 fiel die Stadt nach langer Belagerung jedoch in die Hände der türkischen Angreifer.

Anfang des 14. Jahrhunderts war die Insel in den Besitz der Ordensritter der Johanniter übergegangen, die die Stadt nicht nur zu einem Bollwerk gegen die zunehmende türkische Expansionsgefahr ausbauten, sondern auch ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum entstehen ließen, das im östlichen Mittelmeerraum beträchtlichen Einfluss ausübte. Zur Zeit der Ritter war die Stadt in zwei Teile geteilt, einen kleineren Teil, die eigentliche Ritterstadt – castrum genannt – und einen südlichen Teil, das eigentliche Wohn- und Händlerviertel. Eine Trennmauer grenzte beide Teile voneinander ab. Bei Kämpfen und Erdbeben wurden zwar viele der damaligen Bauten zerstört, doch den Italienern ist es zu verdanken, dass man noch heute mittelalterlicher Atmosphäre nachspüren kann. Sie errichteten nach alten Plänen und unter Verwendung von Resten die Ritterbauten neu. Am besten lässt die alte Ritterstraße die Zeit der Ordensritter aufleben, die aus verschiedenen christlichen Ländern stammten und in Sprachgemeinschaften in sogenannten Herbergen oder Höfen zusammenlebten. Diese verschiedenen Herbergen bilden heute die einzige geschlossene Wohnstraße des ausgehenden Mittelalters, die in schönstem spätgotischem Stil erhalten blieb. Die Herbergen der Italiener und Spanier, der Franzosen und Engländer, sie alle sind im gleichen Stil errichtet, unterscheiden sich jedoch in vielfachen kleinen Details, durch Zierrat, Wappen und Wasserspeier. Das Ordenshospital aus dem 15. Jahrhundert verweist auf die ursprüngliche Aufgabe der Johanniter, die Pflege und Betreuung Kranker, die als Pilger zu den heiligen Stätten unterwegs waren. Beherrschender Komplex der Ritterstadt ist der ebenfalls von den Italienern wiedererrichtete Großmeister-Palast, mit seinen Ausmaßen (80 mal 75 Meter) und seinen zinnenbewehrten Türmen Wahrzeichen der Macht des Ordens.

Das Händlerviertel, von dem aus einst der gesamte Handel der Insel abgewickelt wurde und in dem auch die Juden der Stadt lebten, ist mit seinen Spuren aus türkischer Zeit weitaus orientalischer geprägt. Reste von Moscheen, Badehaus und Bibliothek verweisen auf eine fast vierhundertjährige Türkenzeit. Die für türkische Häuser typische Abkapselung nach außen und betonte Hinwendung nach innen durch die bauliche Gruppierung um einen Innenhof ist allenthalben anzutreffen. Auch wenn vom touristischen Treiben fast überdeckt, lassen die kopfsteingepflasterten Gassen, zum Teil von Straßenbögen überspannt, alte Brunnen und schattige Plätze, byzantinische Kirchen neben ungenutzten Moscheen ein Flair aufscheinen, das östliche und westliche Elemente in sich vereinigt und so an das Kulturgemisch der Vergangenheit erinnert.

Helmuth Weiss

 

 

 


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